Panel E | Die zwei Alltage der Populärkultur – Musik, Medien und Repräsentation im gesellschaftlichen Modernisierungsprozess der 1970er/80er Jahre
Panelleitung: Dr. Sabine Eggmann (Zürich/CH)
Kommentar: Prof. Dr. Sophie Elpers (Amsterdam/NED)
Alltag ist verhandelter Horizont der Erfahrung und Gestaltung von Welt. Dies wird an den konträren Auslegungen deutlich, die den Begriff in der Öffentlichkeit begleiten. Bedrückende Routinen und verlorene Unmittelbarkeit moderner Lebensführung stehen in solchen Kontrastierungen den Vorstellungen robuster Ordnungen und Räumen kultureller Entfaltung gegenüber. Diese beiden Bilder geraten besonders dort in Konflikt und verlangen nach einem hohen Maß an Verhandlung, wo traditionelle kulturelle Äußerungsformen in modernen medialen Vertriebskanälen produziert und konsumiert werden: im Fernsehen.
Das Panel möchte mediale und musikalische Bezugnahmen auf historische und zeitgenössische Alltage in den 1970er und 80er Jahren als solche Reflexionen erfahrener Widersprüche untersuchen und adressiert damit diese historische Bruchlinie. Die Perspektiven der Vorträge sind komplementär angelegt, um Schnittstellen und Inter- aktionsräume diverser Akteursgruppen identifizieren und praxeologisch vermessen zu können. Machtverhältnisse in ihrer strukturellen und symbolischen Dimension stehen dabei ebenso im Zentrum wie die Frage nach Hand- lungsspielräumen der Akteur:innen – wie zum Beispiel Musizierende, lokales Publikum und Fernsehzuschau- er:innen. Ausgeleuchtet werden insbesondere die Auseinandersetzungen mit wechselseitigen Erwartungen und Projektionen unterschiedlicher Akteursgruppen, nicht nur auf der Ebene von Medienproduktion (Sabine Eggmann) und Medienkonsum (Alexandra Neukomm), sondern auch bei tendenziell sich abgrenzenden Akteur:innen (Johannes Müske) in ihrer Suche nach alternativen Klangwelten, Aufführungsformen und politischen Verständnissen von Volksmusik und Folklore.
Das Panel schöpft aus der Empirie und den Diskussionen eines am ISEK – Populäre Kulturen (Universität Zürich) angesiedelten, vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten Forschungsprojekts (01/2022–12/2025).
Dr. Sabine Eggmann (Zürich/CH)
Heimat werden? Redaktionelle Praxis und mediale Politiken (re-)produzierten Alltags im Fernsehen
Im folgenden Vortrag „Heimat werden? Redaktionelle Praxis und mediale Politiken (re-)produzierten Alltags im Fernsehen“ konzentriert sich Sabine Eggmann auf die redaktionspraktischen Herstellungen schweizerischen Alltags in unterschiedlichen Folkloresendungen des Schweizer Fernsehens in den 1970er/80er Jahren. Im Blick auf die Diversität und die Praxis der Akteur:innen – menschliche, mediale, technische – wird der Frage nachgegangen, wie ‚Alltag‘ zum Mittel als auch zum Ort einer medialen Produktionspraxis wurde, um eine spezifische Ordnung – ‚Heimat‘ – im Alltag (der Vielen) entstehen zu lassen.
Alexandra Neukomm M. A. (Zürich/CH)
Volksmusik im Schweizer Fernsehen – zwischen Alltag und medial vermittelter Volkskultur
Die Rezeption solcher medial inszenierter Darstellungen des Heimatlich-Alltäglichen untersucht Alexandra Neukomm in ihrem Beitrag zu „Volksmusik im Schweizer Fernsehen – zwischen Alltag und medial vermittelter Volkskultur“. Sie fragt danach, inwiefern sich die in den Fernsehsendungen gezeigte Volksmusik von den Praktiken der Zuschauer:innen im Alltag unterscheidet und wie aus heutiger Sicht die Fernseh-Folklore von begeisterten Volksmusikhörer:innen sowie erfahrenen Volksmusikant:innen bewertet wird. Im Fokus steht dabei das Identifizierungspotenzial volkstümlicher Medieninszenierungen aus unterschiedlicher Rezipient:innenperspektive sowie das Nachwirken der ‚beiden Alltage‘ in der Gegenwart.
Dr. Johannes Müske (Freiburg)
Andere Lieder, andere Wege – Folk und Anti-KKW-Proteste im ‚Dreyeckland‘ als Ausdruck gesellschaftlicher Suchbewegungen
Unter dem Titel „Andere Lieder, andere Wege – Folk und Anti-KKW-Proteste im ‚Dreyeckland‘ als Ausdruck gesellschaftlicher Suchbewegungen“ erforscht Johannes Müske das Folk-Revival der 1970er/80er Jahre am trinationalen Rheinknie. Dabei beleuchtet er auf der Grundlage von Interviews und Archivmaterialien, wie in den „anderen“ Liedern, die via Protestaktionen, Flugschriften und Liederbücher in Umlauf kamen, Werte verhandelt wurden, die für ein selbstbestimmteres Leben und gegen technische Machbarkeitsfantasien (insbesondere Atomkraft) einstanden.