Plenarvortrag II
Prof. Dr. Gudrun M. König (Dortmund)
Kein Alltag ohne Moden. Zur Multiperspektivität einer Alltagskulturwissenschaft
Ausgehend von Modetheorien des 20. Jahrhunderts wird gefragt, wie sie die materielle Kultur einbeziehen. Angelegt als Gesellschaftstheorien des Wandels, so die These, wird die konkrete vestimentäre und materielle Ebene marginalisiert. Dies wirkt zurück auf die Felder wissenschaftlicher Aufmerksamkeit, auf ihre Gegenstandsbereiche und auf ihre begrifflichen Ansätze.
Alltag und Mode scheinen auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich. Der Begriff der Moden umgreift mit seiner Pluralisierung jedoch weit mehr als Kleidungsmoden und Kleidungspraktiken. Moden bekleiden nicht nur den Körper, formen Silhouetten und Haare, sondern gehören ebenso zu den Routinen wie zu den Festen, zu den gleichbleibenden wie den herausragenden Strukturen und Praktiken des Alltags. Das wissenschaftliche Potenzial zur Untersuchung der Alltagswelt mit den Wirkungsmechanismen wie Dynamisierung, Abwechslung, Rhythmisierung, Flüchtigkeit und Serialität auf der einen und den Effekten der Ritualisierung, Gewöhnung, Selbstverständlichkeit, Beharrung und Beständigkeit auf der anderen Seite prägen die materielle Kultur.
Moden gliedern die Differenzkategorien wie Geschlecht, Alter und Klasse und vice versa. Sie bringen Alltagspraktiken zur Ansicht. Moden verstanden als eine Konstellation zwischen Alltag und Ökonomie, zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen, zwischen Überfluss und Nachhaltigkeit, zwischen sozialem Einschluss und Ausschluss grundieren grundlegende Modalitäten des Alltags. Moden und mit ihnen das Neue werden als eine Denkfigur der Moderne positioniert.